Montag, 14. Mai 2012

Prester John - Sword&Sorcery im historischen Gewand

"Wenn ich mein drittes Königreich erobert habe", sagte er frohgemut, "werde ich die Mauern von Byoko und Turgohl niederreißen und diese langhaarigen Prinzessinnen zu meinen Küchensklavinnen machen. Aus diesem Abenteuer gehe ich nicht mit leeren Händen hervor, Bourtai. Auch habe ich so allerlei gelernt. Zum Beispiel, wie man Krieger in der Schlacht einsetzt. Ich bin nun ein kluger Stratege und ein mächtigerer Heerführer als Alexander und Cäsar, denn ich kann meine Männer nicht nur in den Sieg führen, sondern im Kampf auch jeden einzelnen besiegen. Ja, vieles habe ich gelernt, und wenn ich wieder ein Reich erobert habe, werde ich es weise und mit fester Hand regieren. 
Er summte vergnügt vor sich hin und beschleunigte seinen Schritt noch weiter. Nach einer Weile runzelte er nachdenklich die Stirn. "Ich glaube", murmelte er, "ich habe Christos ein wenig verärgert, weil ich ihm nichts von der Beute abgab. In Zukunft weiß ich es besser, denn es ist ja doch nicht viel mehr als eine leere Geste, wenn die Menschen vor einem knien."

Dieses Zitat stammt aus der deutschen Terra-Fantasy-Ausgabe des zweiten Romans um Prester John, den legendären Sword&Sorcery-Helden, welcher im historischen Asien mit wehenden roten Haaren, lautstarkem, grimmigen Lachen und unbeugbarem Schwertarm ein magisches, sagenumwobenes Reich nach dem anderen niederwirft, nur um es sogleich wieder zu verlieren und neuen Abenteuern entgegen zu ziehen. Zusammen mit seinem durch und durch NICHT vertrauenswürdigen Dieb/Zauberer-Begleiter Bourtai verschlägt es ihn in unentrinnbare Todesfallen, in Arenakämpfe gegen unüberwindliche Gegner, in Säbelduelle mit untötbaren Kriegern, in die Schlafzimmer von unglaublich schönen, machtbesessenen und ebenfalls vertrauensunwürdigen Prinzessinnen. Aber es wäre ein gar jämmerlicher HELD, der sich von solchen Unmöglichkeiten abschrecken oder gar kleinkriegen ließe!

Meine BoL-Leseempfehlung für BoL-Freunde dreht sich dieses Mal um den Sword&Sorcery-Helden Prester John, welcher von Norvell W. Page in zwei Romanen aus einer mehr oder weniger historischen Figur bzw. Legende zu einem echten Mann voller Willenstärke, Humor, Verschlagenheit und Lebenslust gemacht wurde.


Prester John - Sword & Sorcery im historischen Gewand

Wer ist dieser historische Prester John? 

Gute Frage! - Legenden zufolge soll es in Asien ein christliches Königreich unter einem hellhäutigen, christlichen König - dem "Priesterkönig Johannes" - gegeben haben. Auch als "Presbyter Johannes", oder im Englischen "Prester John", bekannt, stellt diese Figur der Legenden seit langer Zeit ein Rätsel für die Historiker dar. Wer mehr über die historische Person wissen möchte, ist einerseits mit dem Wikipedia-Artikel zu Prester John als Einstieg gut beraten.
Andererseits gibt es auch einen Fernsehbericht aus dem Jahre 2007 darüber: "Terra X - Im Bann des Priesterkönigs", der ab und an wiederholt wird.
Die Figur, ob wirkliche historische Person oder reine Legende, hat schon viele, viele Jahrhunderte die Menschen, insbesondere die des christlichen Westens, fasziniert. Doch nicht nur Historiker, sondern auch Pulp-Autoren wie Norwell W. Page fanden diesen Charakter eines Streiters für Christus inmitten asiatischer Heiden interessant.


Prester John als Sword&Sorcery-Romanfigur


Norvell W. Page (Pulp-Lesern bekannt durch seine vielen Romane über "The Spider - Master of Men") schrieb zwei Sword&Sorcery-Abenteuer-Romane rund um seinen Helden Prester John, der auch mit seinem asiatischen Kampfnamen "Wan Tengri" im Roman auftritt. Er ist John, der Wirbelsturm, der mit unerschöpflicher Energie alles wegfegt, das sich ihm entgegenzutreten erdreistet.

Page nahm sich dabei nicht der üblicheren Auslegung des Begriffs "Prester" als "Priester" oder "Presbyter" an, sondern er ging von der ursprünglicheren lateinischen bzw. griechischen Wortherkunft aus und diese bezeichnet mit einem "Prester" einen Wirbelsturm, einen Hurrikan. Andere Wortherkunftsdeutungen haben mit einer gewissen "Giftigkeit" (von Schlangen) oder "Wut" zu tun. Aber den eigentlichen Ausschlag für die Auslegung von Page gab ein im 1. Jahrhundert nach Christus in Alexandria bekannter Gladiator mit dem Namen "Prestor John". Seine Säbelfechtkunst und sein Kampfgeschick gegen mehrere andere Gladiatoren gleichzeitig oder gegen mehrere Löwen in einer Grube war geradezu legendär.

Das paßt vorzüglich für einen Sword&Sorcery-Helden, der hart im Nehmen und noch härter im Geben ist!

In dem Fantasy-Magazin "Unknown Worlds" erschien die erste der beiden Geschichten unter dem Titel "Flame Winds"im Juni 1939 und die zweite unter dem Titel "Sons of the Bear God" im November 1939.

 
Die beiden Romane wurden in den 70ern auch in die Marvel-Comic-Serie "Conan the Barbarian" eingearbeitet - natürlich mit Conan als Hauptfigur, wobei aber der verschlagene Bourtai seine Rolle "selbst" verkörpern durfte.


Eine deutsche Ausgabe erschien 1981 in der Reihe "Terra Fantasy". "Flame Winds" erschien als "Flammenzauber", Terra-Fantasy-Band 89. "Sons of the Bear God" erschien als "Söhne des Bärengottes", Terra-Fantasy-Band 90.



Hier ein paar weiterführende Links auf Pulp- bzw. Sword&Sorcery-Seiten, wo Prester-John-Geschichten auch ihre verdiente Würdigung erfahren:

Prester John auf Grognardia

Prester John bei ThePulp.net

Prester John bei Sword and Sorcery

Norvell Page bei The Spider Strikes

Prester John - ein legendärer Sword&Sorcery-Held


Die Figur des Prester John wächst einem als Leser sogleich ans Herz. Er ist ein echter Sword&Sorcery-Held, hochkompetent, sympathisch, über Leichen gehend, keiner Herausforderung ausweichend und er vertritt einen SEHR "seltsamen" Ansatz des "Christentums", wie man es in der Literatur wirklich selten mal präsentiert bekommt. So, wie er seinem "Christos" neue Anhänger verschafft, hat das durchaus einiges an historischer Wahrhaftigkeit.

Seine Gegner sind allesamt kein Fallobst, sondern hochkompetent und stets nicht allein durch körperliche Nehmerqualitäten sondern durch findige Vorgehensweise und Verschlagenheit zu besiegen. Und der Lohn des Sieges? Prester John kostet seine Siege nur kurze Zeit aus, bevor er wieder um seine Schätze, seine Prinzessinnen und seine Königreiche gebracht wird. - Das erschüttet ihn aber nicht im geringsten! Auch wenn er am Ende nackt und ohne Mittel nur mit seinem durchtriebenen Begleiter Bourtai, einem Dieb, Zauberer und verschlagenen Intriganten, in der Nähe irgendwo zu sich kommt, so geht er mit unerschütterlichem Lebensmut auf die Suche nach den nächsten Abenteuern, nach den nächsten Gegnern, nach den nächsten Königreichen, die es zu erobern gilt.

Die Figuren, Prester John, Bourtai und die vielen Prinzessinnen, Zauberer, Kriegsherren, Fürsten usw., mit denen er es zu tun bekommt, sind beste Inspiration für eigene BoL-Charaktere. Beim Lesen der Romane kommen einem sogleich die Ideenfunken, wie man all das in BoL-Abenteuern umsetzen könnte und wie man als Spieler selbst manches anderes (besser?) angehen würde.

Funktioniert Sword&Sorcery auch im irdisch-historischen Setting?


Die Regionen, die Völker, deren Kulturen, deren Auftreten, all das ist einem Leser und einem Spieler durch viele, viele auch optisch opulent dargebotene Fernsehberichte und Sachbücher wohlbekannt. Und auf diesem bereits gepflügten Boden geht die Saat neuer Sword&Sorcery-Abenteuer besonders fruchtbar auf.

Auch Fritz Leiber schickte seine Helden, Fafhrd und den Grey Mouser, als ihre "historischen Äquivalente" in die abenteuerliche Erdhistorie. Und Robert E. Howard hat mit unterschiedlichen Figuren, nicht zuletzt Solomon Kane, bewiesen, daß Sword&Sorcery auch als "Historienabenteuer" funktioniert.

Und von der "anderen Warte" aus, nämlich aus der Sicht des historischen Romans, findet sich gerade in den Regionen, wo die Prester-John-Romane spielen, geradezu vorzügliches überliefertes Material: Die Rebellen vom Liang Shan Moor.
Dieser fast 1000 Jahre alte Roman rund um eine Vielzahl an hochindividuell unterschiedlich begabten, legendären "Helden" (lies: Räuber, Betrüger, Mörder, Banditen), welche sich in ihrer Bergfestung am Liang Shan, mitten im unzugänglichen Moorgebiet ein Banditenreich aufgebaut haben, ist ein Klassiker der chinesischen Literatur.
Sind die "Rebellen" normalerweise vornehmlich mit eigenen, durch gutes Training und andere geistige und körperliche Vorzüge begründeten, legendären Fähigkeiten ausgestattet, so gibt es in den 10 "Büchern" dieses Romans auch immer wieder "echte" Magie: Alchemistische Laufzauber, Zauberschwerter, Beschwörungen von Elementargeistern, Wettermagie usw. - Gerade im 10. Buch werden Zauber der 2. und 3. Ordnung in BoL-Kategorien beim Feldzug tausender Rebellen gegen einen tyrannischen Provinzverwalter und seine befestigte Provinzhauptstadt aufgefahren. Da kommt es direkt zum "Duell der Zauberer" in einem ansonsten sehr historischen China.

Auch überlieferte historische Romane können also durchaus mit Sword&Sorcery-Abenteuern aufwarten. - Allein die Rebellen vom Liang Shan Moor stellen für sich schon ein umfangreiches Setting dar, welches ich eventuell einmal in einem eigenen Artikel (noch "eventueller" mit einer eigenen BoL-Conversion) behandeln möchte.

Die Barbaren der Erdgeschichte - BoL-Abenteuer vor historischer Kulisse


BoL-Spielleiter sollten sich durchaus einmal als Abwechslung zu rein aus der Luft gegriffenen Fantasy-Welten eine handfeste Sword&Sorcery-Runde angesiedelt in einer der vielen, vielen, VIELEN rauhen Zeiten unserer realen Historie überlegen.

Die Mittel dazu liefert das BoL-Grundregelwerk. Spielwerte für Reittiere und andere, eher irdisch-mythologischen Kreaturen findet man auf Englisch in dem BoL-Lizenzprodukt "Legends of Steel" von Jeff Mejia oder auch in einer der BoL-Setting-Conversions klassischer Fantasy-Welten (wie u.a. auch Aventurien), welche von tatkräftigen "Barbaren" im Netz verfügbar gemacht wurden und werden.

Nach solchen Romanen wie den beiden rund um Prester John bekomme ich jedenfalls GROSSE Lust auf eine "Geschichtsstunde" mit Schwert und Zauberei!

Und Ihr?

Habt Ihr auch Lust auf Sword&Sorcery im historischen Gewand oder reizt Euch das weniger? 

Ich fände eine Diskussion dazu durchaus interessant und, falls praktische Tipps für die Umsetzung solcher historisch angehauchter Sword&Sorcery-Runden herauskämen, auch durchaus lohnenswert.

Habt Ihr Ideen dazu? Dann schreibt Eure Kommentare hier unter diesen Artikel oder schaut einfach einmal in das Barbarians-of-Lemuria-Unterforum im ehemaligen Blutschwerter-Forum (das ist DIE deutsche Foren-Anlaufstelle für alles rund um Barbarians of Lemuria!). Oder diskutiert im RSP-Blogs-Forum zu diesem Thema mit. 

Frank "Freßt GRIECHISCHES FEUER!" Falkenberg



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