Dienstag, 22. März 2011

Schwertkämpfer und Zauberer - Nischenschutz in BoL?

Schwerter und Zauberei - Gegensätze, die sich anziehen. So finden sich in BoL nicht wenig Helden, die in beiden Feldern kompetent sind. Wo bleibt da der "Nischenschutz" für Spezialisten?

Diese Frage stellte neulich erst jemand im "Lords of Lemuria"-Forum. Dort schrieb ich eine kurze Antwort - und hier kommt die etwas ausführlichere im HELDEN-Format.

Ich möchte hier kurz darlegen, wie man in BoL mit "sortenreinen" Charakterkonzepten bzw. mit "gemischten" Charakterkonzepten verfahren kann. Dies soll nur eine beispielhafte Anregung zur Individualisierung der eigenen BoL-Helden geben. Denn nicht der "regeltechnisch verankerte Nischenschutz" ist bei Sword&Sorcery-Abenteurern interessant, sondern die individuell beeindruckenden, vielseitigen, faszinierenden Charaktere, die sich mit ihrer eigenen Note, ihrem eigenen Charme, ihrem eigenen Stil in die Herzen der Mitspieler spielen.

Braucht es überhaupt Nischenschutz in Sword&Sorcery-Rollenspielen?

Bei Fragen, in wie weit sich Zauberer von Schwertkämpfern in BoL regeltechnisch unterscheiden geht es essentiell um "Nischenschutz". Die Frage des Nischenschutzes erscheint mir in englischsprachigen Foren aus einer "D&D-Denke" herzurühren. In der typischen D&D-"S.W.A.T."-Team-Struktur hat jeder Charakterarchetyp seine besondere Nische, in der ihm keiner sein Rampenlicht streitig machen kann. Das sorgt dafür, daß alle Mitglieder einer Gruppe wertvoll sind, keiner "nutzlos" ist und als fünftes Rad am Wagen mitgeschleppt wird.

Solch eine Nischenschutzfrage stellt sich in Sword&Sorcery-Fantasy nicht. In Sword&Sorcery-Romanen trifft man ständig auf Zauberer, die versierte Fechter sind, und auf Meister der Klingenführung, die noch die eine oder andere magische Macht aufbringen können bzw. außerweltliche Kreaturen zu ihren Diensten rufen können.

Kane, der Verdammte. Karl Edward Wagners "Anti-Held" ist unter anderem ein erfahrener General, Heerführer, Fechter, Politiker, sowie Zauberer und Alchemist.

Elric von Melniboné. Michael Moorcocks tragischer "Ewiger Held", ist - solange er Sturmbringer führt - ein gefährlicher Schwertkämpfer, kann aber auch ohne seine Dämonenklinge die Beschwörungsmagie seiner Heimat wirken.

Der Graue Mausling. Fritz Leibers agiler urbaner Held, Partner des typischeren Barbaren Fafhrd, ist nicht nur mit seinen leichten Klingen schnell und gefährlich, sondern vermag auch von Spruchrollen Zauber zu wirken.

Prester John, auch Wan Tengri genannt. Norvell Pages ständig grimmig lachender, kampflustiger, provokanter "historischer" Held, der im fernen Osten der historischen Erde eigenhändig mit seinem Säbel sein Königreich für "Kristos" erkämpft, ist ständig mit Magie seiner Gegner und seiner eigenen "Magie" (oft eine Art Verständnis für Wissenschaft und Alchemie) bzw. seinem "Glauben" (meist eine Art "Kuhhandel": Gläubige später für übernatürliche Unterstützung jetzt) zugange.

Natürlich kennt das Sword&Sorcery-Genre jede Menge nicht-magisch begabter Helden. Und nur sehr, sehr wenige "Vollzauberer" (die meist immer noch formidable Nahkämpfer sind!). Aber so krass auf unterschiedliche funktionale Rollen ausgerichtete Tätigkeits-Nischen, wie man sie im klassischen D&D bei einer Dungeon-Crawling-Gruppe kennt, treten in Sword&Sorcery-Geschichten nicht auf. - Und daher sollte ein Rollenspiel, welches Sword&Sorcery als Genre umsetzen möchte, exakt diese Vorgaben der Literatur auch umsetzen lassen.


Wie unterscheidet sich in BoL-Regelmechanik nun ein "reiner Schwertfechter" von einem "reinen Zauberer" und einem "Hans Dampf in allen Gassen"-Helden?

Der reine Schwertfechter wird in BoL eine Menge der Charaktererschaffungsressourcen, sowie Abenteuerpunkte seiner Abenteuer in die Entwicklung seiner Kampffähigkeiten gesteckt haben. Hinzu kommt noch der Aufbau von Stärke und Geschicklichkeit als die wohl kampfrelevantesten Attribute. Dann wird er eine oder mehr Laufbahnen absolviert haben, die ihm ab und an einen Vorteil in einer Kampfsituation verschaffen könnten. Und nicht zuletzt wird er sich Gaben mit entsprechenden Effekten ausgesucht haben, die seine Kampffähigkeiten unterstützen (Schlachtenruf, Spezialwaffe, Hart im Nehmen, Schnelle Erholung, usw.). Und dann kommt natürlich noch die passende Ausrüstung hinzu.

Kampffähigkeiten - so hoch wie möglich ausgebaut
Kampfrelevante Attribute - hoch
Kampfrelevante Laufbahnen - mindestens eine auf Rang 1 oder besser
Kampfrelevante Gaben - einige
Ausrüstung - Waffen, Rüstungen, Schilde, usw., was ein professioneller Kämpfer so braucht.

Der reine Zauberer wird jede Menge Charaktererschaffungsressourcen und Abenteuerpunkte in seine Magier-Laufbahn, sowie seine magierelevanten Attribute wie insbesondere Verstand gesteckt haben. Bei den Kampffähigkeiten kann er mithalten wie jeder andere, wenn er wollte - meist will er aber nur seine Verteidigung ordentlich ausbauen. Zu all dem kommen noch eine ganze Menge magierelevanter Gaben hinzu (insbesondere Macht aus der Leere und Magie der Zaubererkönige). Bei der Ausrüstung kann er jede Rüstung tragen, wird aber meist eher leicht reisen, statt schwerbepackt herumzulaufen.

Kampffähigkeiten - nur Verteidigung ist wirklich wichtig, die anderen nach Geschmack
Kampfrelevante Attribute - nicht sehr entwickelt, eventuell Geschicklichkeit (wegen der Initiative)
Magier/Alchemist(/evtl. Priester)-Laufbahn - so hoch wie möglich entwickelt.
Magierelevante Gaben - einige

Zauberer haben zudem noch einen besonderen, einschränkenden Faktor: Sie bekommen "kostenlose" Schwächen für jeden Rang in der Magier-Laufbahn - das ist eine Komplikation, die ein Schwertfechter niemals zu befürchten hat.

Der "Hans Dampf in allen Gassen"-Held hat andere Bereiche als "Kernkompetenz" zu bieten - abseits von "nur Zaubern" oder "nur Kämpfen". Aber er kann ab auch mal ein wenig in magische Gefilde reingeschnuppert haben und ein paar Ränge als Magier oder Alchemist mitbringen. Zudem kann er natürlich auch in Kampffähigkeiten mit solider Grundkompetenz auftreten - und manche spezialisieren sich in einem engen Feld zu ordentlicher Kompetenz (z.B. Bogenschütze, Ringer, Speer&Schild-Kämpfer, usw.). Solch ein Charakter hat viele Charaktererschaffungsresourcen und Abenteuerpunkte in seine Kernkompetenz investiert - z.B. als Dieb, Adeliger, Heiler, usw. Auch bei Attributen wirken sich hier Überlegungen zur Kernkompetenz stärker aus. So wird ein Fassadenkletterer eher hohe Geschicklichkeit benötigen, während ein Trickbetrüger starkes Auftregen und einen scharfen Verstand braucht. Und natürlich sind hier die passenden Laufbahnen besonders wichtig - in diesen ist ein hoher Rang üblich, während als "Zusatzkompetenz" noch z.B. Rang 0 oder 1 als Magier oder Alchemist anzutreffen sein kann - ebenso wie Rang 0 oder 1 als Soldat oder Gladiator. Auch die Gaben werden hier eher zur Kernkompetenz passend gewählt (Attraktiv für einen Face-Man, Heimlich, Still und Leise für einen Meuchler). Bei der Ausrüstung sieht es ähnlich aus - Heiler haben ihrer Heilertasche dabei, Alchemisten ihr Labor irgendwo, Diebe ihr Einbruchswerkzeug, Meuchler ihren Giftschrank.

Kampffähigkeiten - nicht wirklich stark herausentwickelt; wenn, dann eher nur eine als Spezialität besser als alle anderen.
Kampfrelevante Attribute - nicht besonders entwickelt, außer sie stützen auch noch die Kernkompetenz abseits von Kämpfen
Nichtkampfrelevante Attribute - tendieren dazu hoch zu sein, gerade bei Face-Man-Charakteren Auftreten, bie vielen Laufbahnen Verstand
Magier/Alchemist/Priester-Laufbahnen - meist nur Rang 0 or 1, Grundkenntnisse, aber kaum geübt
Magierelevante oder kampfrelevante Gaben - selten (wenn überhaupt) genommen.
Andere Gaben - einige, insbesondere die Kernkompetenz unterstützend.
Ausrüstung - je nach Haupt-Laufbahn wenig aufwendig bis hin zu ganzen Galeeren und mehr.

Nischenschutz unnötig

Das ist für mich das Fazit, welches ich aus wirklich vielen BoL-Runden ziehe. Und weil es in diesen Runden so bestätigt wird, möchte ich dies auch hier nach den Ausführungen zum Charakter-Bau von extremen Charakteren (nur Schwertkämpfer und nur Zauberer), sowie von "Misch"-Charakteren mit anderen Schwerpunktsfeldern als nur Kampf oder Zauberei noch einmal unterstreichen.

Nischenschutz braucht es nicht, wenn man Sword&Sorcery-Fantasy spielt. Dieses Fantasy-Unter-Genre unterstützt aus sich heraus erst einmal überhaupt nicht die "Gameplay-Überlegungen", welche in der "D&D S.W.A.T.-Team"-Struktur ihren Ursprung haben.

BoL fängt jedenfalls mit seinen "Bordmitteln" ganz vorzüglich die Versatzstücke der Sword&Sorcery bezüglich der Hauptfiguren ein.



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Frank "Freßt PARSUULISCHES FEUER!" Falkenberg
(aka Zornhau, in Vertretung von Krongar, der sich gerade im Nischenschutz befindet) 

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